Angriff von SPD/CDU/FDP auf die Jugendarbeit in der Stadt Hannover: Extremismusklauselfür das Unabhängige Jugendzentrum (UJZ) KornstraßeHannover, 28.10.2024

Die Ratsfraktionen der SPD, CDU und FDP greifen gemeinsam tief in die autoritäre Mottenkiste: Die Idee einer Extremismusklausel als Mittel der Unterdrückung von Opposition und kritischer Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen ist nicht neu. „Extremismus“ ist lange schon als Legende enttarnt; die Klausel ist politisch und rechtlich bereits vor mehr als zehn Jahren gescheitert. Neu ist mithin nur das reaktionäre Manöver der hannoverschen SPD, die gemeinsam mit law-and-order-Apologeten die Jagd auf politisch unliebsame Jugendarbeit eröffnet.
„Die Verwaltung wird beauftragt, die Zuwendung für die Geschäftsführung und die Projektleitung UJZ Kornstraße des Vereins zur Förderung politischer Jugendkulturen e. V. künftig nur unter der Voraussetzung zu gewähren, dass keine Untervermietung an vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen mehr erfolgt.“, fordern SPD, CDU und FDP in einem Begleitantrag zum Haushalt 2025/2026.
Nichts geringeres als eine Extremismusklausel – wie sie bereits Anfang der 2010er Jahre von der rechten Antifeministin Kristina Schröder (CDU) für Projekte der Demokratieförderung ersonnen wurde – soll in Hannover (zunächst) dem UJZ auferlegt werden. Die Zuwendungen für Personalkosten (derzeit 70.000 Euro jährlich) des UJZ sollen damit von einem Bekenntniszwang, von Misstrauen, Kontrolle, Denunziation und der Beschneidung emanzipatorischer Arbeit abhängen.
Mit Zustimmung zu einer solchen Klausel verpflichten sich die betroffenen Initiativen, sich selbst und ihre Projektpartnerinnen hinsichtlich etwaiger „extremistischer Strukturen“ auszuforschen, gegebenenfalls den sogenannten Verfassungsschutz zu konsultieren, die Arbeit mit vom „Verfassungsschutz“ erwähnten Organisationen und dazugehörigen Personen zu unterlassen. Die Beschäftigten in den adressierten Projekten werden zu Hilfsspitzeln und zur Manövriermasse für antilinke Politik.

Diese Praxis hat zu Beginn der 2010er Jahre erheblichen Schaden angerichtet, zahlreiche geplatzte zivilgesellschaftliche Projekte zeugen davon. Das wusste damals auch die SPD, Wolfgang Thierse erklärte 2011 in seiner Rede zur Extremismusklausel: „Dieses Vorgehen ist, so finde ich, demokratiepolitisch fatal. Es ist kontraproduktiv. Es widerspricht dem Geist unserer Verfassung.“ Verschiedene Rechtsgutachten bestätigten diese Einschätzung.

Aktuell wehren sich im Bund die Sozialdemokratie und die Grünen gegen Versuche der FDP die Extremismusklausel wieder zu beleben. Bei der hannoverschen SPD hat man augenscheinlich nichts daraus gelernt, man fällt den eigenen Genossinnen in den Rücken.

Zudem eröffnen SPD, CDU und FDP mit diesem Schritt die Jagd auf emanzipatorische Projekte. Die Extremismusklausel ist eine Einladung an die AfD und deren Neonazi-Strukturen, die Arbeit unliebsamer Akteurinnen in Hannover auszuleuchten, „linksextremistische“ Aktivitäten, Zugehörigkeiten oder Zusammenarbeiten ausfindig zu machen, Personen und Organisationen an den Pranger zu stellen, um letztlich Projekte finanziell auszutrocknen, zu verunmöglichen und politische Gegnerinnen auszuschalten.
Dieser Versuch der „Deutschlandkoalition“, die Förderung des UJZ Korn an ein „genehmes“ Verhalten zu binden, reiht sich ein in wiederholte Versuche, die emanzipatorische Jugendarbeit im UJZ Korn zu behindern, siehe frühere Anträge der Hannoveraner (2012) und CDU (2017).
Dass die drei aktuell beteiligten Parteien nicht davor zurückschrecken, sich als Steigbügelhalter von antidemokratischen rechten Strömungen anzubieten, ist nicht entschuldbar und muss als solches auch benannt werden. Mit dieser Forderung reihen sie sich mit der AfD in eine gemeinsame Front von Antidemokraten ein, um unliebsame Meinungen zu sanktionieren. Dafür werden der AfD dann auch ganz demokratisch städtische Räume vermietet.
„Was die Fraktionen mit der Extremismusklausel betreiben, lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen“, sagt Dirk Wittenberg, Geschäftsführer des UJZ Korn: „Diffamierung politischer Einmischung als „extremistisch“ und Umdeutung von politischem Widerspruch als Verfassungsfeindlichkeit; Diskreditierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Störerinnen des kapitalistischen Normalvollzugs; Kriminalisierung einer Jugendarbeit, die ihre Adressatinnen nicht in staatlicher Logik zurichtet, sondern sie bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte solidarisch unterstützt.“
Bereits jetzt dürfte es der SPD und ihren Verbündeten mit den Haushaltsanträgen gelungen sein, die Engagierten in Hannovers Jugend-, Migrations- und Kulturarbeit fundamental zu erschüttern. Extremismusklausel, Kürzung, Streichung und Prekarisierung treffen jene Projekte, die in rechtskonservativen Vorstellungen „links“, „grün“ oder einfach menschenrechtsorientiert sind.
„Die Kürzungen beim Kulturzentrum Faust und die Einstellung der Zuwendungen für den Kulturbereich des kargah e.V. lassen uns in einen tiefen Abgrund reaktionärer Politik blicken. Dass die hannoversche SPD aus schnödem Machtinteresse solche Verwerfungen mit betreibt, ist ein Schlag ins Gesicht der viel beschworenen Zivilgesellschaft.“, erklärt Peggy Zander vom UJZ Korn: „Was jetzt kaputt gemacht wird, wird nicht einfach in ein paar Jahren zurückgeholt werden können, wenn die Ratsmehrheit es sich anders überlegt hat. Das ist eine veritable Zersetzung des Gemeinwesens in dieser Stadt.“
Das UJZ Korn ist solidarisch mit allen Projekten, die sich für ein gutes Leben für Alle und für die Befreiung aus rechten, rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Kontinuitäten einsetzen. Einer Entpolitisierung der Jugendarbeit im UJZ durch die Diffamierung als „extremistisch“ und einer Zurichtung in der fragwürdigen Logik des „Verfassungsschutzes“ setzen sich die Aktiven des Zentrums entschieden entgegen.
„Parteiliches Handeln und Räume für selbstbestimmte Aktivitäten sind der Kern unserer (Jugend)Arbeit. Den Leitlinien aller freien und städtischen Träger der Jugendarbeit in Hannover fühlen wir uns verpflichtet. Das mag SPD, CDU und FDP egal sein – uns macht die Trostlosigkeit dieser Situation wütend und fassungslos. Wir rufen alle in der hannoverschen Sozialdemokratie auf, diesen Irrweg zu beenden“, erklären Dirk Wittenberg und Peggy Zander gemeinsam.
Kontakt: Dirk Wittenberg, 0511 1318 710,