1971

Im Dezember 1971 wird nach monatelangen Forderungen der „Initiativgruppe Jugendzentrum“ nach einem unabhängigen Jugendzentrum, die mit dem damals wie heute beliebten Argument „kein Geld vorhanden“ abgeblockt werden, ein Haus in der Arndtstr. von mehreren hundert Jugendlichen besetzt. Umgehend wurde dieses in einem der bis dahin größten Polizeieinsätze der BRD geräumt.

1972

Im Juni 72 wird der „Verein für angewandte Sozialarbeit“ von Sozialwissenschaftlern, die dem „Sozialistischen Büro“ nahestehen, Mitgliedern der „Initiativgruppe Jugendzentrum“, sowie Leuten aus anderen Gruppen, wie der trotzkistischen SAG gegründet und die Gebäude in der Kornstrasse für 10 Jahre gepachtet. Eine Kneipe als öffentlicher Bereich, wird aufgebaut. Die Tonkooperative wird gegründet. Ein Buchladen- Ernst Thälmann Buchladen (später heißt er Internationalismus Buchladen) – zieht ein. 1973 eröffnet der Kinderladen. Das UJZ Kornstrasse versteht sich als Aktionszentrum der außerparlamentarischen Bewegung.

Der entgültige Niedergang der Studentenbewegung führt zu heftigen internen Auseinandersetzungen über die weitere Ausrichtung des Zentrums. Der Position der SAG, die aus der KORN ein Zentrum gewerkschaftlich organisierter „Jungarbeiter“ machen wollte, des SB der ein „sozialistischen Zentrum“ wollte, stand eine Konzeption entgegen, die als „proletarische Jugendarbeit“ insb. arbeits- und wohnungslosen Jugendlichen die gemeinsame Gestaltung ihrer Freizeit, wie ihre Politisierung ermöglichen sollte. In diesem Zusammenhang wird auch die Förderung des Zentrums durch die Stadt beantragt, da eine derartige „Sozialarbeit“ kaum ehrenamtlich zu leisten ist.

1974

Ab 1974 wird das UJZ gefördert. Die Kosten für 2 Sozialarbeiter, die Pacht, ein Nebenkostenanteil und geringe Sachmittel werden von der Stadt übernommen. Im Rahmen der „proletarischen Jugendarbeit“ werden Werkstätten aufgebaut, zunächst eine KFZ-Werkstatt ( die dann aufgrund der besseren räumlichen Bedingungen ins UJZ Glocksee wechselt) dann eine Elektrowerkstatt. Der Versuch aus diesen Werkstätten außerbetriebliche Lehrwerkstätten zu machen scheitert. Es bleiben Selbsthilfeprojekte, zu denen noch eine Druckerei und ein Umzugs- und Entrümpelungskollektiv kommt. Eine wichtige Rolle spielt die Antirepressionsarbeit, die sich mit Hilfe für „straffällig“ gewordene Jugendliche beschäftigt. Außerdem wird ein Wohnprojekt für Jugendliche aufgebaut. Politisch wird sich in dieser Phase vor allem mit autonomen ArbeiterInnenkämpfe auseinandergesetzt. Dabei spielt die Solidarität mit Betriebsbesetzungen eine wichtige Rolle aber auch mit Projekten im Sadtteil, wie der Besetzung des Gartenhauses.

Das Verhältnis zur Stadt ist in dieser Phase durch die permanente Auseinandersetzung um die weitere Förderung geprägt. Insbesondere der damalige sozialdemokratische Dezernent für Jugend Beste versuchte das UJZzu disziplinieren, indem er fortlaufend Distanzierungen von kritischen Äußerungen zur Politik der Stadt Hannover verlangte, unabhängig davon, ob diese von der Korn selbst kamen oder nicht.

1975

Spätestens 1975 wurde klar, daß die Möglichkeiten einer Politisierung Jugendlicher im Freizeitbereich überschätzt wurden. Insbesondere durch den Tod eines Jugendlichen im Juni 75, der beim Hantieren mit einem Revolver erschossen wurde, brachen die Widersprüche vehement aus und lähmten das gesamte Zentrum. Die Neuorientierung im Zentrum führte mitten hinein in die „neue“ Anti-AKW-Bewegung. Ausgehend von den Protesten gegen eine mögliche WAA im Lichtenmoor, wurde die „Korn“ zum Mittelpunkt der hannoverschen Anti-AKW-Bewegung. Ein Informationszentrum wurde aufgebaut, das Plenum der hannoverschen Anti-AKW-Gruppen traf sich in der Korn. Der Kampf gegen das Atomprogramm, insbesondere gegen das AKW in Grohnde bestimmte in der Folgezeit das gesamte Leben im UJZ.

1977

Mit den Niederlagen der Anti-AKW-Bewegung im Jahre 77 (Kalkar) und 78 (Grohndeprozesse) war auch das UJZ zum „Abschuß“ freigegeben. Was sich schon mit dem alljährlichen Gefeilsche um die Förderung abzeichnete, setzte sich jetzt durch. Trotz entgegenstehender Ratsbeschlüsse wurde dem UJZ ab 79 auf Druck der Bezirksregierung und der Verwaltung die Förderung gestrichen. Seitdem müssen wir uns selbst finanzieren.

1979

Ab 1979 belebte eine neue Jugendbewegung, die zunächst als New-Wave-, dann als Punk-Bewegung auftrat, die Korn. Gleichzeitig schwappte eine breite Hausbesetzerbewegung über das Land, so waren in Berlin über 100 Häuser besetzt und auch in Hannover kam es von 79 bis 81 zu zahlreichen Hausbesetzungen. Mit den Protesten gegen die öffentlichen Rekrutengelöbnisse 1980 kam noch eine antimilitaristische Position hinzu, lange vor der „großen Friedensbewegung“. In all diesen Kämpfen vetrat die Korn eine der radikalsten Positionen, die vom sozialrevolutionären Anspruch der neuen Jugendbewegung getragen wurde. So war es auch kein Zufall, daß am Abend des Rekrutengelöbnisses in Hannover in der Korn der Film „Züri brennt“ gezeigt wurde, ein Film über die Jugendrevolte in Zürich.

1980

Der Anfang der 80er bedeutete auch eine Eskalation der Repression gegen die Korn. Nach den Protesten gegen das Rekrutengelöbnis wurde die Korn gestürmt und zur Aktionszentrale hochstilisiert. Eine Mitarbeiterin des Zentrums wurde unter der politischen Maßgabe der Staatsanwaltschaft, „endlich jemand aus der Korn zu haben“, zu 1 1/2 Jahren Knast verurteilt. Gleichzeitig kam es zu mehreren Ermittlungsverfahren gegen den Vereinsvorstand, wobei versucht wurde, ihn mit Hilfe wildester Konstruktionen wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu kriminalisieren.

1982

Eine neue Kampagne begann, als 1982 die Bildzeitung mit der Schlagzeile: „Punker raus aus der Nordstadt“ aufmachte. Eine Koalition aus der Reinigungs- und Objektschutzfirma Blitz-Blank (heute Plural, andere Firmen und Hausbesitzer, der Staatsschutzabteilung der hannoverschen Polizei und Lokalpolitikern (insbesondere marianne Täglichsbeck von der FDP)suchte nach Wegen, das UJZ klein zu kriegen. Der sich daraus ergebene Versuch, die Öffnungszeiten des UJZ zu beschränken, scheiterte als sich herausstellte, daß die dafür herangezogene Lärmpegelmessung einen Polizeieinsatz dokumentierte und die Lärmspitzen im Bellen von Polizeihunden und Martinshörner bestand.

Das Jahr 1982 brachte eine weitere Veränderung. Der Pachtvertrag lief nach 10 Jahren aus. Das Zentrum wurde daraufhin von einer Immobilienverwaltungsgesellschaft gekauft, die von Mitarbeitern des Zentrums gegründet worden war. Dies hatte zwei Folgen: Zum einen reduzierte es die Möglichkeiten der Einflussnahme staatlicherseits, was die oben erwähnten Versuche ordnungsrechtlicher Art zur Folge hatte (Obwohl auch eine Enteignung ins Auge gefaßt wurde). Zum anderen wurde der ökonomische Druck auf das Zentrum erheblich erhöht.

Da sich der „aktionsorientierte“ Ansatz der 80er Bewegung nicht auf Dauer aufrechterhalten ließ ( was sich in zunehmenden Frust und Drogenkonsum ausdrückte), Repression und ökonomischer Druck ihr übriges taten, zerfiel die Einheit der Bewegung zunehmend. Einem sich zunehmend entpolitisierenden und konsumorientiertem Kulturbereich stand ein sich zunehmend auf feste Gruppen beziehender politischer Zusammenhang gegenüber. Während dies auf der einen Seite die Zeit der Konzerte mit den großen amerikanischen Punk- und Hard-Core-Bands sowie allwöchentlichen Disko’s war, waren es auf der anderen Seite vor allem Initiativen im antimilitaristischen Bereich, wie gegen die IDEE, die Nato-Munitionstransporte, die „Bombenzüge“, oder gegen die Nato-Herbstmanöver.

Hinzu kamen noch unterschiedliche Einschätzungen zu den „Chaos-Tagen“. Während die ersten Chaos-Tage unter dem Motto:2Gegen die Punker-Kartei“ noch einhellig begrüßt wurde, gab es angesichts des Mottos der zweiten (Punks uns Skins – United) scharfe inhaltliche Widersprüche. Als es dann vor dem UJZ zu schweren Auseinandersetzungen zunächst zwischen Nazi-Skins und Punks kam, danach mit der Polizei, war die Korn bei den dritten „Chaos-Tagen“ geschlossen. Die Folge war dann die Schlacht am UJZ Glocksee, sowie dessen teilweise Verwüstung.

Es gab eigentlich nur zwei Momente, die der zunehmenden Zersplitterung entgegenstanden. Zum einen waren es die zunehmenden Angriffe von faschistischen Skinheads auf die BesucherInnen der Korn und auf das Zentrum selbst, die mit der Blitz-Blank-Kampagne begannen. Daraus entstand bei vielen Jugendlichen die Notwendigkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen, zumal immer wieder die Erfahrung gemacht wurde, daß es von staatlicher Seite keinen Schutz gab, ja sogar die Erfahrung gemacht wurde, daß die Polizei die Faschisten bis vor das Zentrum führte, um sie dann randalieren zu lassen. Dieses Interesse kam zusammen mit den Initiativen autonomer Antifa-Gruppen, der zunehmenden Bedrohung durch neofaschistische Gruppen (insb. der FAP) entgegenzutreten. Nachdem es durch gemeinsamen Widerstand gelungen war, die faschistischen Angriffe auf die Korn zu stoppen und sie dann auch noch aus der Innenstadt zu vertreiben, stieß die Bewegung aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgangslage an ihre Grenze. Sie stellte aber eine wichtige politische erfahrung dar, als nach den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock und den Brandanschlägen von Mölln und Solingen eine neue antifaschistische Bewegung entstand.

Das zweite Moment war die Sprengelbesetzung. Weit davon entfernt, daß die Korn diese initiiert oder organisiert hätte, war die Korn doch der Ort, wo sich viele, die dann die Besetzung durchführten, sich getroffen, kennengelernt und diskutiert haben. Andersrum hat sich die Vielfältigkeit von Sprengel belebend auf die Korn ausgewirkt und es haben sich bis heute enge Beziehungen erhalten.

1988

Das Jahr 1988 stellt einen weiteren Einschnitt dar. Die „Immobilienverwaltungsgesellschaft“ war Pleite, die Zwangsversteigerung stand an. In dieser Versteigerung gelang es einem neuen Trägerverein, dem „Verein zur Förderung politischer Jugendkulturen“ die Korn zu ersteigern. Dies hatte zunächst paradoxerweise die Folge, daß sich die ökonomischen Belastungen reduzierten. Wichtig war aber vor allem, daß im Entscheidungsprozeß, hin zur Versteigerung, die Gruppe, die den kulturellen Bereich getragen hatte, aus dem Zentrum ausstieg. Damit war erstmals seit 1984 wieder die Einheitlichkeit des Zentrums hergestellt. Auch die damals entwickelten inhaltlichen und praktischen Schwerpunkte haben seitdem weitgehend Kontinuität.

1991

1991 gelang es nach jahrelangem zähen Ringen, Sanierungsgelder für die Korn zu bekommen. Dies hieß nicht nur eine 2 1/2 jährige Bauphase, sondern eben auch eine moderne und umweltgerechte Heizung nach 1 1/2 Jahrzehnten Kohlenheizung, Lärmdämmung und überhaupt akzeptable räumliche Voraussetzungen für unsere Arbeit. Natürlich war die Entscheidung, das erste Mal seit 1978 Staatsgelder in Anspruch zu nehmen, nicht einfach. Die Bedingung für die Gewährung der Gelder, die Festschreibung der Gebäudenutzung als Jugendzentrum und Kinderladen, kam unseren eigenen Zielen allerdings entgegen und war im Unterschied zu den Erfahrungen 74-78 eingrenz- und einschätzbar, da mit keinerlei politischen Auflagen verbunden.