Seit mehr als einem Jahr hat uns als soziokulturelles Jugendzentrum die Corona-Pandemie im Griff.
Als Zentrum mit gewöhnlich mehr als 100 Kultur-, Info- und Diskussionsveranstaltungen im Jahr sind wir, mit einer kurzen Unterbrechung im Sommer und Frühherbst 2020, komplett geschlossen was den soziokulturellen Bereich angeht.
Das Projekt Volxküche ist auf ein ToGo-Format reduziert – in dem der soziale Kern des Zusammen-Essens herausfällt, lediglich das Zusammen-Kochen einiger weniger sowie das Angebot des Essens zum Selbstkostenpreis kann durch diese Form erhalten bleiben.
Auch die noch existierenden Möglichkeiten der Jugendarbeit – Gruppenarbeit, Workshops etc. – erreichen bestenfalls die Aktivist_innen bei uns.
Unsere Perspektive eines in die Gesellschaft offenen und wirkenden Zentrums ist damit nicht zu realisieren.
„Zusammen leben. Zusammen feiern. Zusammen kämpfen.“ wird erst wieder für alle möglich sein, wenn das Corona-Virus besiegt ist bzw. zumindest seinen tödlichen Schrecken verloren hat und ein solidarischer Umgang von allen mit der Pandemie gefunden wurde.
Im Angesicht des kläglichen Versuchs der Osterruhe zeigt sich: Dem Kapital auch nur einen Tag des Produktionsstillstandes abzuringen, scheitert an den massiven Interventionen von Industrie, Handel und weiteren Verbänden.
Stattdessen beinhaltet das neue Infektionsschutzgesetz Maßnahmen, die wiedereinmal in die Privatsphäre der Menschen eingreifen. Erlaubt bleiben Arbeit und Gebet.
Gleichzeitig wird über Modellprojekte zur Lockerung des Shutdowns diskutiert und diese vorbereitet.
Dass diese Lockerungen von City-Einkaufsgemeinschaft, Gastronomie-Verband DEHOGA und dem Wirtschaftsdezernat der LH Hannover geplant und diskutiert werden, zeigt um was es geht: wirtschaftliche Interessen.
Was unter den gegenwärtigen Vorzeichen entstehen wird, sind „Sonderwirtschaftszonen“ mit eigenen Zugangsbeschränkungen. Wir wissen: In der Innenstadt Hannovers treffen sich unter anderem größere Gruppen an Jugendlichen, die nicht dort sind um einzukaufen oder die Oper zu besuchen.
Wir befürchten: Diese Jugendlichen und auch andere Gruppen werden aus diesen Zonen verdrängt werden.
Wird das Verbot von Ansammlungen – eines dieser Neuwörter aus den Verordnungen der Corona- Zeit – zum dauerhaften Bestandteil der Modellprojekte?
Wird ein negatives Testergebnis zur Voraussetzung, bestimmte Zonen der Innenstadt zu betreten und bedeutet die Errichtung privater Testeinrichtungen, dass man für diese Zugangsberechtigung in die eigene Tasche greifen muss?
Und alle anderen sind darauf verwiesen, einmal in der Woche einen kostenlosen Test zu bekommen?
Gleichzeitig greifen die Region Hannover und das neue Bundesgesetz zum Mittel der nächtlichen Ausgangssperre – ein Mittel, das sich explizit gegen Jugendliche und deren vermeintliches Freizeitverhalten richten soll.
Bar jeder wissenschaftlichen Grundlage wird hier erneut der Mythos von den jugendlichen Feierbiestern wiederholt, der schon im Frühjahr 2020 für die Ausbreitung der Corona-Pandemie herhalten musste und der uns hier in Niedersachsen so legendäre Partyhotspots wie Cloppenburg und Vechta bescherte.
Die Politik heuchelt mit der Ausgangssperre ein entschlossen zielführendes Handeln vor.
Erfahrungsgemäß haben nächtliche Ausgangssperren kaum Auswirkungen auf die Infektionszahlen, zugleich aber erhebliche Auswirkungen auf das Leben von jungen Menschen.
Wir brauchen diese autoritären Gebaren nicht:
Was wir brauchen ist ein Ende der Corona-Pandemie – notfalls als ein Ende mit Schrecken in Form eines solidarischen mehrwöchigen Lockdowns, anstatt eines Schreckens ohne Ende, den wir momentan erleben.
Was wir brauchen ist eine Ausweitung der Produktion der Impfstoffe und das heißt auch Freigabe der Patente.
Was wir brauchen sind Modellversuche der Lockerung, die aus dem ganzen Gerede, dass sich so vieles ändern müsse, Ernst machen; die Jugendliche einbeziehen und ernst nehmen, die das Wissen, die Debatten im kulturellen, sozio-kulturellen Bereich aufgreifen, anstatt „Sonderwirtschaftszonen“, die auf nichts anderes als ein „weiter so“ abzielen.
Wir brauchen keine Sonderwirtschaftszonen, sondern eine verlässliche Finanzierung von Jugend- und Kultureinrichtungen. Wir brauchen eine solidarische Verteilung von Ressourcen, Impfstoffen und Orten. Damit am Ende alle Zusammen leben. Zusammen feiern. Zusammen kämpfen. können.
Das Plenum des UJZ Kornstraße im April 2021
P.S.: Nachdem wir diesen Text im Kornplenum verabschiedet hatten, erfuhren wir, dass der Punkertreff Kopernikus in Hannovers Nordstadt zum 1. Mai 2021 aus seinen Räumen rausfliegen soll. 25 Jahre hannoversche Punk-Geschichte werden durch die Kündigung des Hauptmietvertrags seitens der Landeshauptstadt beendet. Das ist exakt das Gegenteil dessen, was wir fordern, und es ist das Letzte, was diese Stadt in Bezug auf Jugendpolitik gerade braucht. Solidarität mit der KOPI!